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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593374970
Sprache: Deutsch
Umfang: 263 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 22.8 x 15.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Das Lehrbuch zur Stadtsoziologie Von der modernen Großstadt bis zur beschaulichen Provinzstadt, von den Lebensstilen in der Innenstadt bis zu den Villenvierteln behandelt die Stadtsoziologie ein breites Themengebiet. Das Lehrbuch bietet einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Bereiche der stadtsoziologischen Forschung und deren theoretische Ansätze. In einem wissenschaftsgeschichtlichen Abriss wird die Entwicklung des soziologischen Denkens über die Stadt dargestellt, beginnend mit Marx / Engels über Weber bis zu den aktuellen Debatten über moderne Urbanität. Die feministische Perspektive auf die Stadt und die Tradition der Gemeindestudien werden in eigenen Kapiteln behandelt. Ausführlich werden überdies die Ursachen und Folgen sozialer Segregation und "ethnischer Koloniebildung" in den Städten thematisiert. Das Buch wendet sich nicht nur an Studierende, es ist auch geeignet für Leser, die nicht mit der Fachsprache vertraut sind und ein allgemeines Interesse an sozialen Fragen bzw. an der Stadt haben.

Autorenportrait

Hartmut Häußermann (1943-2011) war Professor am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Walter Siebel ist Professor für Soziologie an der Universität Oldenburg.

Leseprobe

Eine Einführung in die Stadtsoziologie hat viel zu erzählen. Gibt es einen vielfältigeren Gegenstand als die Stadt? Wohl kaum! Städte haben eine lange Geschichte hinter sich, wandeln sich ständig und bergen eine unüberschaubare Fülle an Anregungen für jeden Sozialforscher. Darüber hinaus werden die Städte von ihren Bewohnern ganz unterschiedlich wahrgenommen. Würden wir Sie, als Leserin oder Leser, befragen, was für Sie die Stadt ausmacht, dann bekämen wir vermutlich viele, aber wenig übereinstimmende Antworten. Und genauso umfangreich wie die individuellen Wahrnehmungen der Stadt ist das Spektrum der Positionen, das die Soziologie zur Entdeckung der Stadt beitragen kann. Wir möchten mit dieser Einführung die grundlegenden Perspektiven und Themen vorstellen, auf die sich die Stadtsoziologie gründet und die sie bis heute umtreiben. Welche Fragen richten Soziologen an das städtische Leben und an die Entwicklung der Städte? Welche wichtigen Ergebnisse haben sie vorzuweisen, und welche wissenschaftlichen Konzepte haben sie zur strukturellen Beschreibung der Städte vorgeschlagen? Die Frage nach dem Neuen, das mit der modernen Großstadt in die Welt kam, stand am Ausgangspunkt der Stadtsoziologie. Wie ist dieses Neue zu erklären, was bedeutet es für die Menschen und den Staat? Die Erfahrungen der Verstädterung und Urbanisierung prägten zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben den Sozialwissenschaften auch die Literatur und die bildenden Künste. Die Großstädte fungierten als Laboratorien der Moderne, dort konzentrierten sich die ökonomischen, sozialen und kulturellen Veränderungen der entstehenden Moderne. Die Geschichte der Stadtsoziologie ist die Geschichte ihres Gegenstandes Die Entwicklung der Soziologie als akademischer Disziplin ist eng mit der Geschichte ihres Gegenstands verbunden. Die soziale Wirklichkeit war mit den theoretischen Gebäuden der Ökonomie und der Philosophie allein nicht mehr erklärbar. In den Erklärungslücken entstand die Soziologie als eine Wissenschaft, die den gesellschaftlichen Wandel zu ihrem Gegenstand machte. Sie ist ein Kind der Aufklärung und der kapitalistisch organisierten Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Welche Kräfte waren es, die die Jahrhunderte dauernde Ordnung, die als naturgegeben oder gottgewollt gegolten hatte, plötzlich zusammenbrechen ließen? Was trieb diese Umwälzungen voran und wie konnte der soziale Zusammenhalt trotzdem bewahrt werden? Diese Fragen bewegten die ersten Soziologen, und auch die Stadtsoziologie ist ein Produkt dieser Neugierde. Die Herausbildung der modernen Großstadt war mit tief greifenden Veränderungen der Lebensbedingungen und der Lebensart verbunden. Während des Lebens von nur einer Generation verwandelte die Industrialisierung die provinzielle Residenzstadt und Garnison Berlin in die größte Mietskasernenstadt der Welt oder schuf aus einer trostlosen Sumpflandschaft, wo in keiner Ansiedlung mehr als 500 Einwohner gelebt hatten, die größte Maschinerie zur Produktion von Kohle und Stahl in ganz Europa - die Stadtlandschaft des Ruhrgebiets. Diese Art von Stadtentwicklung hatte mit der bis dato bekannten Stadtgeschichte herzlich wenig zu tun. Sie folgte weder der rationalistischen Ästhetik barocker Stadtanlagen noch der grazilen Logik allmählichen Wachstums durch die emsige Tätigkeit von Kaufleuten und Handwerkern auf einer Vielzahl kleiner Parzellen. Auch das städtische Bürgertum - von Max Weber noch ins Zentrum der Europäischen Stadt gerückt - war an dieser Entwicklung wenig beteiligt. Eine neue Gesellschaft brach sich Bahn, die sich neue Städte schuf, alte aufbrach und explosionsartig anschwellen ließ. Sie zog in diesen Agglomerationen derartige Menschenmassen zusammen, dass den verschüchterten Aristokraten und alteingesessenen Stadtbürgern nichts anderes übrig blieb, als diese als bedrohlich fremde Rasse wahrzunehmen. Der Sog der Industrialisierung zog Massenwanderungen in die Großstädte nach sich; dort entstand eine neue soziale Schicht: die Arbeiterklasse, das Proletariat. Intellektuelle Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die konservative Stadtkritik machte die industrielle Großstadt verantwortlich für das Elend, das sich in den Familien der Fabrikarbeiter vor allen Augen breit machte. Diese Stadtkritik war reaktionär, sie forderte nichts weniger als die Abschaffung der großen Städte und die Rückkehr der Menschen in die Kleinstädte und Dörfer. Sie nährte die Illusion, mit der Rückkehr zum - idealisierten - Landleben verschwänden auch die Übel der industriellen Großstadt auf Nimmerwiedersehen. Wenn die konservative Stadtkritik auch hellsichtig die Verluste an Gemeinschaft beschrieb, die mit dem sozialen Wandel verbunden waren, und drastisch das Elend ausmalte, das auf die Menschen zukam, so blieb sie doch blind für deren Ursachen: Die Industrialisierung ging mit einem fundamentalen Umsturz der etablierten Herrschaftsverhältnisse einher. Eine ganz andere Reaktion auf den Wandel war die progressive Gesellschaftstheorie, an deren Anfang die Schrift von Friedrich Engels Die Lage der arbeitenden Klasse in England (Engels 1974 (1845)) steht. Für Engels war die Großstadt nur Bühne und Katalysator sozialer Krisen, die unausweichlich mit der kapitalistischen Gesellschaftsform verknüpft seien. Eine Rückkehr zu früheren Zuständen sah er als weder wünschenswert noch möglich an. Für ihn gab es nur den Weg nach vorne, hin zu einer weiteren Steigerung der gesellschaftlichen Dynamik bis zu jener letzten Krise, aus der lediglich eine Revolution herausführen würde. Stadtsoziologie und Stadtpolitik Neben der konservativen Stadtkritik einerseits, die den Untergang gewohnter Lebensverhältnisse beklagte und sich um die Stabilität der Gesellschaft sorgte, und der progressiven Gesellschaftskritik andererseits, die in der modernen, industriellen Großstadt die Bühne und den Durchlauferhitzer eines notwendigen sozialen Wandels erkannte, stand noch bei der Entstehung der Stadtsoziologie ein drittes Interesse Pate: der Informationsbedarf der Verwaltungen, die damit begannen, das städtische Chaos zu ordnen und die Lebensverhältnisse zu verbessern. Die empirische sozialwissenschaftliche Großstadtforschung begann, das lässt sich mit gutem Recht behaupten, als Gesundheitsforschung. Da Seuchen, hohe Sterblichkeit und zahlreiche körperliche Entwicklungsschäden mit dem Wachstum der frühkapitalistischen Städte verbunden waren, wurde die stadtkritische Bewegung hauptsächlich von Medizinern angeführt. Engels' Bericht über die Lage der städtischen Arbeiterschaft stützte sich weitgehend auf Berichte von Ärzten und Leichenbeschauern, und auch das Elend in den Mietskasernen von Berlin wurde zuerst von Gesundheitsinspektoren und Krankenkassen-Berichten öffentlich gemacht. Bereits im 18. Jahrhundert hatte man die Sterblichkeitsraten und Todesursachen zwischen Land- und Stadtbewohnern verglichen, um Hinweise zur Seuchenbekämpfung zu gewinnen. Die Sterblichkeitsrate lag in den Städten weitaus höher als auf dem Land. Wer waren die neuen Stadtbewohner, die die behäbigen Residenz- und Bürgerstädtchen zu anonymen Großstädten umwandelten, und deren Bedarf an Wohnraum, an medizinischer und technischer Versorgung so schwer zu decken war? Dies interessierte die Kommunen. Sie wollten wissen, wer zuwanderte, wer blieb, wer wieder fortzog und wo in der Stadt sich die größten Probleme finden ließen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine differenzierte Bevölkerungsstatistik entwickelt, die - gestützt auf eigene städtische Ämter - den Kommunen half, ihr Steueraufkommen, den Bedarf an Bauland und die Anforderungen an kommunale Infrastruktureinrichtungen abzuschätzen. Angesichts der außerordentlich hohen Mobilität, die zu massiven Bevölkerungsverschiebungen und einem explosionsartigen Wachstum der Städte führte, wurden seit 1870 auch Wanderungen innerhalb der Städte und über die Stadtgrenzen hinweg erfasst. Man erhob Alter und Beruf, später auch Daten zu ökonomischen, soziologischen und ...

Inhalt

Was ist Stadtsoziologie? Einleitung I. Urbanisierung und Strukturwandel 1. Verstädterung, Urbanisierung und Großstadtkritik 1.1 Urbanisierung und Verstädterung 1.2 Gesellschaftlicher Strukturwandel II. Städtische Lebensweise und urbane Kultur 2. Die Funktionalisierung des Soziallebens 2.1 Georg Simmel und der Sozialcharakter des Großstädters 2.2 Die Charaktereigenschaften des Großstädters 2.3 Die Ambivalenz der Urbanisierung 2.4 Urbanisierung und Arbeitsteilung 3. Die Stadt als soziales Laboratorium - Robert Park und die Chicago School of Sociology 3.1 Stadtforschung "aus der Erfahrung der Reportage" 3.2 Städtische Lebenswelten als Gegenstand verstehender Sozialforschung 3.3 To see life - das Forschungsprogramm des Robert Park 4. Die Polarität von Öffentlichkeit und Privatheit 4.1 Öffentlichkeit und Privatheit als Grundkategorien der bürgerlichen Großstadt 4.2 Genese der Polarität von Öffentlichkeit und Privatheit 4.3 Wandel und Verfall der Polarität von Öffentlichkeit und Privatheit 4.4 Die Notwendigkeit begrifflicher Weiterentwicklung 5. Der städtische Konsumentenhaushalt 5.1 Die Einbindung in Versorgungssysteme 5.2 Die ökologisch problematischen Folgen des städtischen Konsumentenhaushalts 6. Der Traum von der Idylle im Grünen: Suburbanismus 7. Die Gemeinde als empirisches Objekt 7.1 Gemeinde als Paradigma oder Objekt 7.2 Die Gemeindestudie als Methode 7.3 Die Aktualität von Gemeindestudien III. Stadt als empirischer und theoretischer Gegenstand 8. Die Stadt als Subjekt? 8.1 Die Europäische Stadt und die Entstehung der modernen Gesellschaft 8.1.1 Die Stadt als Triebkraft des Wandels bei Engels und Marx 8.1.2 Die Stadt als Geburtsstätte von Kapitalismus und Rationalität bei Max Weber 8.2 Größe, Dichte und Heterogenität als Merkmale der Stadt 8.3 Die Stadt als Einheit der Reproduktion - New Urban Sociology 8.4 Die Stadt ist keine unabhängige Variable - Zusammenfassung 9. Gemeinde, lokale Gemeinschaft und Nachbarschaften 9.1 Der doppelte Bedeutungsgehalt des Gemeindebegriffs 9.2 Die Dichotomie Gemeinschaft versus Gesellschaft 9.3 Dörfer in der Stadt 9.4 Nachbarschaft früher und heute 9.5 Netzwerk statt Nachbarschaft 9.6 Entlokalisierte Netze 10. Wie werden Städte produziert? 10.1 Die soziologische Bedeutung der Stadtstruktur 10.2 Vier theoretische Erklärungsansätze 10.2.1 Die sozialökologische Theorie 10.2.2 Die New Urban Sociology 10.2.3 Die ökonomische Theorie 10.2.4 Die politische Theorie der Stadt 10.3 Politische Steuerung und die Kräfte des Marktes IV. Stadt und Ungleichheit 11. Der Segregationsbegriff 11.1 Was heißt Segregation? 11.2 Wie entwickelte sich bisher die Segregation? 11.3 Warum ist Segregation ein Problem? 11.4 Soziale und ethnische Segregation 12. Soziale Segregation 12.1 Ursachen der Segregation 12.2 Das Angebot an Wohnraum 12.3 Die Wohnungsnachfrage 12.3.1 Ressourcen 12.3.2 Präferenzen 12.4 Quartiere der Ausgrenzung 12.5 Effekte der Segregation 12.5.1 Das Quartier als Lernraum - Milieueffekte 12.5.2 Die materielle Benachteiligung marginalisierter Quartiere 12.5.3 Symbolische Benachteiligung 12.6 Die kumulativen Effekte sozialer Segregation - Zusammenfassung 13. Ethnische Segregation 13.1 Die Wohnbedingungen von Migrantenhaushalten 13.2 Ethnische Segregationsmuster 13.3 Erklärungsvorschläge 13.3.1 Ethnisch spezifische Merkmale der Nachfrage 13.3.2 Strukturelle Ursachen 13.4 Pro und contra Segregation 13.5 Die Unschärfen der Segregationsdiskussion 13.5.1 Segregation ist nicht gleich Segregation 13.5.2 Falsche Annahmen zu den Effekten physischer Nähe 13.5.3 Segregation hat ambivalente Wirkungen 13.6 Lokale Problemlagen 13.7 Modelle gelingender Integration 14. Feministische Stadtkritik ...

Schlagzeile

Das Lehrbuch zur Stadtsoziologie

Die Fortsetzung der 'Elfenerbe'-Reihe

 
ELFENERBE - Der gefangene Prinz

ELFENERBE - Der gefangene Prinz

von Black, Holly

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